Dieters Tourenbuch: Aufstieg zur Lesachalmhütte, Elberfelder Hütte, Lucknerhütte
Teilnehmer:
Achim
Reiner
Frank
Hans-Werner
Wo kennt sich Dieter am besten aus? Klar, in Osttirol. Und genau da geht es auch diesmal hin. Aber nicht irgendwohin, sondern zum Großglockner. Die Rückseite des höchsten Berges von Austria ist einer der schönsten Anblicke in den Alpen. Gewaltig, imposant, schneebedecktes, spitzes Dreieck sind die Charakteristiken, die mir spontan heute, Jahre nach der Tour, einfallen und für immer im Gedächtnis bleiben.
Wir fahren unseren normalen frühen Stiefel Richtung Felbertauerntunnel ab, kommen bei bescheidenem Wetter am Tunnel an und verlassen diesen wie so oft bei strahlendem Sonnenschein wieder. Nun wird die Tour festgelegt. Wir wollen am Lucknerhaus starten, das am Ende der Kalser Großglocknerstraße, einer Mautstraße, oberhalb von Kals liegt auf gut 1900m.
Dieter genießt die Straße hinauf in vollen Zügen. Sie ist hervorragend ausgebaut und erlaubt auch Geschwindigkeiten oberhalb der erlaubten 100km/h. Und dies wird erst mal den geneigten Mitfahrern bewiesen, ob die nun Spaß dran haben oder nicht. Natürlich vergisst Dieter auch nicht dabei zu erwähnen, dass er sich hier wie in seiner Wohnung auskennt und die Positionen der Radarfallen alle kennt. Manchmal hab ich mir gewünscht, die österreichischen Beamten mögen einmal eine neue Idee für den Aufbau der Kamera gehabt haben. Das dumme Gesicht von unserem Dieter hätte ich zu gern erlebt. Nun ja, die Ösis haben mir den Spaß nicht gegönnt und Dieter ist vogelfrei durch die Kurvenszenerie geheizt.
Das Lucknerhaus besuchen offensichtlich alle Urlauber Osttirols mindestens einmal. Außerdem scheint es auch ein beliebtes Ausflugsziel für Tagesausflügler per Bus zu sein. Jedenfalls ist der Parkplatz ausreichend dimensioniert, nimmt einiges auf und er ist auch gut gebucht.
Wir stellen unser Gefährt ab und freuen uns, dass wir nicht sofort loslaufen müssen. Wir haben wieder einmal das Glück, dass uns ein Taxi bis kurz vor das Ziel bringt. Wir werden bis zu einer Schranke zum Bachweg entlang der Lesach gefahren und der freundliche Taxifahrer fragt uns tatsächlich, ob wir nicht bis zur Lesachalmhütte gebracht werden wollen. Da wir hier zum Wandern sind, lassen wir uns nicht einlullen. Wir laufen, nehmen diesen läppischen Weg von 3,9 km mal eben in Angriff und werden schnell am Ziel sein. Der Kutscher hat uns darauf hingewiesen, dass es noch etwa 1,5 bis 2 Stunden sind. Also Gemach, Gemach. Ohne Eile dem Ziel entgegen. Der Weg ist relativ leicht und umso mehr erstaunt mich, dass ich schon frühzeitig Probleme mit meinen Füßen bekomme. Sie schmerzen und es kündigen sich unmissverständlich Blasen an. Das ist wirklich Sch…, besonders weil ich kein geeignetes Verbandmaterial eingepackt habe. Bei der Ankunft in der Hütte werden sofort die Schuhe abgestellt und auf leichtes Schuhwerk umgeschwenkt. Leider ist es bereits zu spät. Die Blasen sind schon da und sie sind nicht zu klein.
Die Lesachalmhütte liegt sehr gediegen auf 1828m, gut geschützt hinter einer massiven Bergwand verbirgt sich die relativ kleine Hütte. Ich kann mich nicht mehr im Detail an die Hütte erinnern, aber ich weiß noch genau, wie herrlich der Sternenhimmel war und wie der Mond die umliegenden Bergkämme beschienen hat. Für mich hören hier immer alle Qualen auf und ich kann spätestens jetzt die Natur genießen.
Am nächsten Morgen wandern wir früh dem nächsten Etappenziel entgegen. Der Weg führt uns durch einen kleinen Wald, man merkt wir sind nicht so hoch wie die letzten Jahre. Kaum sind wir eine halbe Stunde unterwegs, machen sich meine Fußbeschwerden wieder eindeutig bemerkbar. Schlimmer noch, sie werden auch noch stärker. Als jahrelanger Hallenfußballer mit empfindlichen Füßen weiß ich das ziemlich genau einzuschätzen. Ich hab mir im Jahr zuvor neue Meindlschuhe zugelegt, die ich bereits in Oberstdorf getragen habe. Dort hat es keine Probleme gegeben. Es scheint also ein Problem eines unguten Zusammenspiels zwischen Socken, empfindlichen Füßen und neuen Schuhen zu sein. Letztes Jahr hatte ich andere Socken an. Ich zieh die Schuhe aus und sehe sofort das Malheur. Blutblasen, die aufgegangen sind. Und das nach so einem kurzen Stück, das kann ja heiter werden. Ich versorg die Füße notdürftig mit Tempos und schlüpf zurück in die Schuhe. Hilft ja nix, ich kann jetzt nichts ändern und muss da durch. Es wird ein wenig erheiternder Tag. Für Abwechslung sorgen nur Blaubeerbüsche. Achim und ich sind in unserem Element. Ich hab das wohl von meinem Vater geerbt. Der geht heute noch mit 89 Jahren auf Sammlung, wenn es was zu hamstern gibt. Er wusste immer die besten Plätze für Brombeeren, Himbeeren, Äpfel, Birnen und sonstiges Obst, was nicht gepflückt wird und niemand gehört. Und ich eifere ihm nach. Blaubeeren sind seit Kindertagen eine meiner Leibspeisen. Also setzen Achim und ich uns jeweils an einen großen Strauch und vernichten die Früchte waidgerecht. Dann ziehen wir weiter und machen es, so oft es möglich ist. Unsere leidgeprüften Mitwanderer ziehen eine ziemliche Schnute, können sie doch unserer Vorliebe für frisches Obst nichts abgewinnen. Und es werden viele Büsche kommen, leider können nicht wir nicht alle abernten. Die reinste Verschwendung. Dafür kommen Einheimische mit kleinen Körbchen den Berg hinauf und sammeln reichlich. Diese Almöis erstaunen mich immer wieder. Mal laufen sie sonntags morgens nur für ein paar Bier 2-3 Stunden wie von der Tarantel gejagt den Berg hinauf um dann später total abgefüllt wieder ins Tal zu hechten. Oder sie schwärmen mal eben für Blaubeeren aus. Fahren zig Kilometer eine Mautstraße hoch (die sie wohl nicht zahlen müssen, aber trotzdem) und laufen dann elend weit um an die Beeren zu kommen. Das hat schon eine andere Qualität und zeugt von Naturverbundenheit, die uns leider völlig abhanden gekommen scheint.
Apropos Naturverbunden. Ich hab noch nicht eindeutig das Wetter erläutert. Es ist sonnig. Sehr sonnig. Nicht heiß, nur sonnig. Sonnig mit strahlend blauem Himmel. Jetzt mach mal die Äuglein zu und stell dir eine Bergkulisse vor, wie auf der Postkarte. Blauer Himmel, Sonne und eine weiße dreieckige Bergspitze davor. Genau, das sehen wir seit 2 Tagen und werden es noch 2 weitere Tage genau so sehen. Es ist der Wahnsinn. Wenn man Kitsch beschreiben muss, glaubt einem kein Mensch. Und wenn Kitsch fotografiert wird, fragt man sich, ob der Fotograf das gestellt hat. Hier gibt es das live, und du kannst dich nicht satt sehen. Oder besser, du willst es gar nicht. Irgendwann nimmst du es nicht mehr so wahr, aber es ist dennoch da. Und dann weißt du auch, warum der Parkplatz am Lucknerhaus so groß ist.
Auch dieser Tag mit seinen Fußschmerzen hat einmal ein Ende und zwar an der Elberfelderhütte.
Für den nächsten Tag ist eine längere Strecke geplant. Wir wollen in Richtung Lucknerhütte, nicht zu verwechseln mit dem Lucknerhaus, liegt diese doch sage und schreibe satte 300 Höhenmeter über dem selbigen. Von dort soll die Tour weiter gehen zur Glorerhütte. Die Glorerhütte liegt immerhin auf 2642m. Die Lucknerhütte auf 2241m liegt also ein gutes Stück tiefer. Wir werden dorthin absteigen und dann wieder hoch hinaus. Bei dem Gedanken daran fangen meine Füße wieder an, unangenehm zu schmerzen. Ich bekomme im Laufe der Wanderung schnell einen Leidensgenossen. Achim hat zum ersten Mal in all den Jahren, die wir zusammen unterwegs sind, Probleme mit dem „Schuh für die Ewigkeit“. Auch er hat Blasen und muss sich quälen. Es wird kurz beratschlagt und dann wird das Tagesziel neu definiert. Wir wollen nur noch bis zur Lucknerhütte und dann einen ruhigen gemütlichen Samstag mit Bier und Kuchen, Kaffee und gehaltvollen Getränken beim Karten und eventuell Fussball verbringen. Auch mal nett.
Gesagt, getan, wir sind ja extrem flexibel. Wir kommen recht früh zur Hütte und genießen die ersten Sturzbiere, die alleine zur Auffüllung des Wasservorrates dienen sollen. Danach wird Obstler kredenzt, was wieder zu den leichten Unmutsbekundungen von den üblichen Verdächtigen führt. Es hält sich aber diesmal in Grenzen. Besonders Achim scheint sich langsam in sein eh nicht zu änderndes Schicksal zu ergeben. Irgendwann ist der Gute dann mal weg, um die Getränke dem Recycling zuzuführen. Derweil kommt die Kellnerin an unseren Tisch und bringt uns 4 Tee. Wir protestieren energisch, doch die Dame grinst nur und meint, das passt schon. Wir verstehen die Welt nicht mehr. Gesund hin oder her, aber wir haben es nun mal nicht so mit diesem Zeugs. Bis wir Achims Gesicht sehen. Das spricht Bände. Es handelt sich um seine Bestellung und ist als Rache gemeint. Es handelt sich um Jagertee. Und jetzt erinnere ich noch mal an die Uhrzeit und an das Wetter. Strahlend schöner Sonnenschein, mindestens 20 Grad Celsius, 15.ooUhr und dann Jagertee, den ich weder mag, noch vertrage.
Aber was hilft es. Augen zu und durch. Und dann schnell Enzian hinterher, damit der beschissene Geschmack aus dem Mund kommt. Hab ich übrigens schon mal erwähnt, dass ich Enzian überhaupt nicht mag und auch nicht vertrage. Also schnell mal ein Bier hinterher, damit dieser …. Ach das hatten wir schon? Genauso, oder zumindest ziemlich genauso hat es sich abgespielt. Hier ein Bier, da ein Obstler, und so weiter. Es war fürchterlich. Ich erinnere mich noch, dass Borussia an diesem Tag verloren hat. Irgendwer hat die Bundesligaergebnisse abgefragt. Wie immer wenn wir wandern, hat Borussia nicht gewonnen. Irgendwann wird auch dieser Bann gebrochen, und ich hoffe ziemlich bald. Auf alle Fälle waren auch noch ein paar Frustbiere dabei. Ich kann mich noch erinnern, dass wir den Standort von der netten Außenterrasse nach innen verlegt haben, und dass der Hüttenwirt uns einen ausgegeben hat. Ob das allerdings vor meinem ersten Einschlafen oder nach dem Aufwachen war, ist mir nicht so genau geläufig. Ich bin auf alle Fälle zwischenzeitlich ein wenig indisponiert gewesen und habe mich für eine Stunde in die Privatsphäre zurückgezogen. Danach war ich wieder einigermaßen gesellschaftsfähig und konnte der Konversation in angemessener Weise folgen. Ich weiß nicht mal mehr, ob ich an der Volksspeisung teilgenommen hab.
Der Hüttenwirt ist ziemlich freigiebig. Auch am nächsten Morgen gab er uns noch mal einen aus. Wir haben auf dem Abstieg lange philosophiert, ob dies nun an unserem Deckel gelegen hat, oder einfach an der Tatsache, dass er wenige Übernachtungsgäste hat. Die Hütte liegt halt nur gut 300m über dem Lucknerhaus und dient als Anlaufstelle für hungrige Gäste, die mal ein Stündchen den Berg hinauf wollen, ein Stück Kuchen genießen und dabei den Großglockner sehen wollen. Der Rest steuert die Hütte eher nicht an. Es ist nicht genug Zeit auf dem Weg nach oben vergangen. Und zum Übernachten bietet sie sich auch nicht wirklich an, da die Glorerhütte oder die Stüdlhütte strategisch günstiger liegen. Es bleibt also ein Geheimnis, warum uns so viel Gutes wiederfahren ist. Es wird aber noch heute reichlich gedankt.