Bergtour 16: Kitzbühler Alpen:
Tourenbuch: 1. Tag Aufstieg zur Hornköpflhütte
2. Tag: Übergang zur Hochwildalm
3. Tag Übergang zur Kelchalm/Bochumer Hütte
4. Tag Heimfahrt
Teilnehmer
Frank
Reiner
Hans-Werner
Die Kitzbühler Alpen haben es uns angetan. Wir haben ziemlich schnell festgestellt, dass es
hier ausreichend Wege gibt, die uns noch vollkommen unbekannt sind. Vielleicht
ist der Grund, warum Kitzbühel insgesamt so beliebt ist, tatsächlich die Gegend
und die damit verbundenen Wandermöglichkeiten. Es scheint noch mehr Menschen zu
geben, die das schon herausgefunden haben.
Reiner hat eine Tour ausgearbeitet, die uns körperlich nicht überanstrengen soll, das Zeitlimit
gut ausfüllt, dabei einige bereits bekannte Ecken im Kitzbühler Land noch
einmal umfasst und dennoch auch völlig neue Wege beinhalten soll.
Leider ist auch dieses Jahr die Zahl der Teilnehmer überschaubar. Das ist nicht so schlimm,
weil man weiß, was man hat. Andererseits wäre uns auch der ein oder andere
Dauerwanderer aus früheren Touren wieder einmal sehr willkommen. (und es täte
ihnen Figur-technisch sicher auch mal wieder gut, die lieben Ehefrauen würden
sich sicher nicht beschweren) [Wenn ich es recht überdenke: Jungs, Ihr seht
immer noch knackig genug aus! Lasst euch nix einreden!]
Zurück zur Wirklichkeit, ich schweife ab. Die Tour beginnt wie immer, mit unserer frühen
und langen Hinfahrt über unsere vielgeliebte A3 usw. Das Ziel ist wieder der
Parkplatz der Kitzbühler Hornbahn. Von hier aus nehmen wir den Aufstieg zur
Adlerhütte. Ich muss nicht näher darauf eingehen, dass der Weg immer noch aus
dem steilsten Felsen der Gegend in mühevoller Kleinarbeit gemeißelt wurde und
nach wie vor absolut Sch… ist. Der ist wirklich elend steil und beschwerlich.
Der geneigte Leser sollte bitte beachten, dass wir, ob schon gealtert und
weise, immer noch auf die Seilbahn verzichten und diesen Höllenweg benutzen.
Die Talstation liegt bei 763 m die Adlerhütte immerhin auf 1270m – 507
Höhenmeter Qual.
Es gibt tatsächlich einen anderen Weg in Richtung Gipfel, aber wir werden uns auch diesmal hier
entlang quälen. Ich bitte den geneigten Leser einmal kurz innezuhalten und ein
andächtiges, verstehendes und mitfühlendes Gesicht zu machen. Danke!
Wir schaffen es, allen Widrigkeiten zum Trotz, dennoch bis zur Adlerhütte. Der
Gedanke, dass die Tour schon enden könnte, ist verlockend, aber ohne die
absolvierte Halbtagsetappe von Tour 13 doch eher was für Weicheier und
Warmduscher, die wir ja auf keinen Fall sind. Also kehren wir nur ein, trinken
unser obligatorisches Bier und nehmen den restlichen Berg in Angriff. Der Weg
ist, wie schon in der ersten Kitzbühler Horntour beschrieben, sehr einfach und
führt meist über asphaltierte Wege. Wir müssen diesmal nicht bis zur Spitze,
sondern können uns auf ein Ende der Tour auf 1736 m Höhenmeter freuen. Hier
liegt die Hornköpflhütte als Bergstation einer Liftanlage mitten im Skigebiet.
In der Herbstzeit ist hier eher wenig los. Die Bergwanderer gehen auf das
Kitzbühler Horn und lassen dabei die Hornköpflhütte links liegen. So ist man
schön unter sich. Wunderbar, wir haben individual Betreuung. Die Gefahr, zu
unterhopfen oder zu wenig Obstler zu erhalten, ist damit beseitigt. Jetzt heißt
es, ein gesundes Mittelmaß zu finden. Das wird uns aber erleichtert durch einen
Blick in die Speise- und vor allem Getränkekarte. Die Hütte ist privatbewirtet
und deshalb sind die Preise eher als hoch anzugeben. Wir haben sicher nie
teurere Obstler getrunken. Wir machen die Reise nicht um zu sparen, aber
manchmal wird es dann doch ein wenig zu viel. Den Abend bekommen wir trotzdem gut
um und haben auch eine sehr angenehme Nachtruhe, da es an Fremdschnarchern
fehlt. Gut so.
Am nächsten Morgen haben wir wieder so ein Berg – AHA, wie es dem Flachlandtiroler immer wieder beschieden
ist. Wir gehen vor die Tür und hier ist alles befroren. Die Bediensteten haben reichlich damit zu tun, die Tische vom
Eis zu befreien, bevor die ersten Tagesgäste kommen. Tags zuvor war es ordentlich warm und kein Mensch rechnet mit einem Kälteeinbruch über Nacht. Wir freuen uns, dass uns Schnee erspart.
Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zur Hochwildalm. Der Weg beginnt leicht und wir lassen Wilder Hag und Hochnetzkogel rechts und Pfeifferkogel links liegen und kommen gut voran. Schon vor dem Losgehen haben wir in der Karte eine Alm erspäht, von der wir hoffen, dass sie geöffnet ist und wir bewirtet wird. Wir gehen ca. 1 Stunde
und erreichen die freundliche Bichlalm. Wir sind die ersten Gäste und suchen uns ein Plätzchen in der späten Vormittagssonne. Dazu die üblichen Bergwanderergetränke, zur Stärkung eine kleine Jause und wir lassen es uns mal so richtig gutgehen. Man hat ja sonst nichts vom Leben.
Die Zeit rast und wir wollen uns auf den Weg machen, als uns ein außergewöhnliches Spektakel
innehalten lässt. Es kommen einige Wagen vor die Hütte gefahren und es steigen ein Kamerateam und Schauspieler aus. Wir verfolgen das muntere Treiben der Akteure. Ein Schauspielerpärchen wird den Berg hoch geschickt und muss auf
Kommando beschwingt in Richtung Kamera laufen. Wir bekommen im Laufe der Aufnahmen erklärt, dass es sich um den neuen Werbefilm für die Region handelt. Die armen Schauspieler konnten einem leidtun. Wie oft sie beschwingt Stöcke
schwingend zur Kamera mussten, danach wieder den Berg hinauf und erneut los, war schon beachtenswert. Was sie dabei falsch machen konnten, erschließt sich dem Beobachter nicht. In der Zwischenzeit ist die Hütte gutbesucht und allen
Gästen wird ein nettes Schauspiel geboten.
Den Weg zur Hochwildalm schaffen wir ohne große Mühen, da er uns weitestgehend bekannt ist.
Er führt über Brunnerkogel, Gaisberg und Gebrasattel.
Es ist Samstagnachmittag bei schönstem Wetter als wir die Hochwildalm erreichen. Es ist brechend voll. Alle Bergwanderer aus der Umgebung haben sich offensichtlich entschlossen, heute die Hochwildalm, auf die die Sonne besonders schön scheint, zu besuchen. Wir haben uns auf Ferdl, das Original, gefreut. Als wir die Speisekarte öffnen stellen wir fest, dass es Ferdl nicht mehr als Hüttenwirt gibt. Er ist in den wohlverdienten Ruhestand eingetreten.
Anstelle von Ferdls wettergegerbtem Antlitz strahlt uns ein jüngeres Gesicht auf dem Foto entgegen.
Nichts gegen das Gesicht, aber die Kleidung des Betreffenden gefällt uns gar nicht. Der Halunke trägt ein Sportdress der falschen Borussia. Und gleich daneben wird dem Leser erklärt, dass es sich um einen wackeren Fußballhelden
vergangener Tage namens Wolfgang Feiersinger handelt. Ein echter Europapokalfighter, Championsleaguegewinner und Deutscher Meister. Und jetzt Hüttenwirt, weil es sonst so langweilig ist, die mühsam erworbenen Milliönchen zu verwalten. Er ist nicht unbedingt der Inbegriff des Hüttenwirtes fällt uns aber auch nicht negativ auf. Den Ansturm
am Nachmittag hat er mit seiner Lebensabschnittsgefährtin gut im Griff. Es gibt leider nicht mehr alle Speisen auf der Karte, aber das ist Hüttenalltag. Hier ist man fernab von jeder Lieferroute und die Bestellung wird nach Erfahrungswerten getätigt. Ist der Bedarf größer wird es manchmal eben eng, so auch heute. So essen wir an Kuchen, was die Küche noch hergibt.
Vom Abendessen kochen hält der neue Hüttenwirt allerdings ausgesprochen wenig. Wir müssen uns
mit ein paar Kaasspatzen begnügen, weil nicht mehr angeboten wird. Wir sind die einzigen Übernachtungsgäste, der Tag war lang und noch mal neu kochen mag der alternde Exfußballer nicht. Seine Gefährtin macht sich derweil auf den Rückweg ins Tal. Sie ist von Beruf Flugbegleiterin bei Kranichairlines in München. Sie fliegt Langstrecke nach Tokio. So ist sie zwar einige Tage unterwegs, hat aber danach reichlich Zeit für den Prinzen und das Leben in den Bergen. Nicht das
Schlechteste, was einem das Schicksal bescheren kann.
So sind wir abends alleine mit Wolfgang und schwelgen in Fußballerinnerungen. Wir hören einige
Anekdoten über Fußballer und vor allem Meistertrainer, die man sonst so nie erfahren wird. Dafür hat sich der Weg gelohnt.
Am nächsten Morgen werden wir nicht, wie bei Ferdl, in der Küche bewirtet sondern erhalten unser
Frühstück in der Gaststube, wie es sich gehört. Hier erleben wir dann auch den ehemaligen Profi. Es ist offensichtlich nicht seine Zeit und ihm fehlt das helfende Händchen seiner Angetrauten. Es klappt ganz passabel, aber der Ferdl
ist eben doch Hüttenwirt mit Leib und Seele gewesen.
Nun folgt für uns die längste Tagesetappe. Wir wandern von der Hochwildalm zur Kelchalm besser
bekannt als Bochumer Hütte, wobei der Begriff Hütte hier eher unangebracht ist. Dazu aber später. Der Weg führt vorbei an Schotting zur Sonnenfelderalm und weiter zur Staffalm. Hier war früher die Bergstation des Einersessellifts, in
dem ich meinen Wanderstock geschrottet habe. Die Staffalm ist nicht mehr bewirtet, der Sessellift längst abgebaut.
Da wir es nicht eilig haben, nehmen wir uns Zeit, suchen uns noch einen netten Weg aus und wandern gemächlich zur Kelchalm. Trotzdem sind wir frühzeitig an Ort und Stelle und erleben auch hier das muntere Treiben zur nachmittags Zeit
in einer leicht zugänglichen Hütte, die auf nur 1460m Höhenmeter liegt. Viele Einheimische machen sich ein Sonntagsvergnügen und führen Kind und Kegel auf den Berg. Es gibt sogar das Kinderspielgerät in Form von Schaukel und Kletterhaus. Die Alm liegt an einer Straße, die nur zum Schluss nicht mehr für jedes Fahrzeug befahrbar ist. Sie ist im Prinzip ganzjährig geöffnet, wenn der Hüttenwirt nicht grade mal Urlaub macht. Im Winter dient sie als Abfahrtspunkt
für eine mehrere Kilometer lange Rodelpiste, nämlich der Straße ins Tal, die zuvor in umgekehrter Richtung begangen werden muss. Die Lage ist also insgesamt eher eine Alm als die charakteristische Berghütte, es wird aber keine
Viehwirtschaft betrieben.
Wir finden ein nettes Plätzchen auf der Sonnenterasse. Wie immer kommt der Hunger von ganz
alleine. Ich habe Lust auf Apfelstrudel, den es natürlich nicht gibt. Ein Blick in die Speisekarte und ich entscheide mich für Blaubeerpfannkuchen. Seit Kindertagen esse ich am liebsten Erdbeertorte dicht gefolgt von Blaubeertorte.
Blaubeerpfannkuchen kenne ich nicht, aber es muss ähnlich sein, wie die Torte und somit unheimlich lecker.
Derweil ich auf den Pfannkuchen warte wird am Nebentisch mit 4 Personen eine Brettljause, bestehend
aus Brot, Speck und Käse angeliefert. Eine Portion, die die 4 kaum schaffen können. Wie man sich täuschen kann. Die Jause ist nicht für 4 Personen sondern nur für eine gedacht. Die 3 anderen bekommen ebenfalls Gerichte serviert. Der
Empfänger der Jause tut mir genauso lange Leid, bis ich meinen Pfannkuchen erhalte. Reiner und Frank haben sich Topfenstrudel bestellt, weil es keinen Apfelstrudel gab. Normale Stücke, wie man es gewöhnt ist. Und dann kommt der Wahnsinn auf Holz. Der Blaubeerpfannkuchen sprengt jede bekannte Größe. Er wird zusammengeklappt serviert und ist in etwa so groß wie eine Familienpizza. Für eine Person auf keinen Fall zu schaffen, genauso wie die Jause vom Nebentisch.
Ich habe später die gute Hüttenwirtin Gabi Gütling befragt, warum sie so große Pfannkuchen
servieren. Ihre lapidare Antwort. Das sind 2 Eier mehr, aber der schindet so viel Eindruck beim Raustragen, dass mindestens noch 2 weitere bestellt werden. Und dann rechnet sich das schnell. Die Brettljause ist da eher ein
Zuschussgeschäft, aber auch hier zählt, der Gast, der wieder kommt verzehrt auch und zu einer Jause trinkt man auch mal ein Bier mehr, dann ist der Fehlbetrag schnell ausgeglichen.
Der Ehemann der guten Gabi ist der Andi. Hüttenwirt aus Berufung. Gabi erzählt uns ihre
Geschichte gerne. Sie ist gebürtige Flachlandtirolerin aus Leverkusen und hatte mit den Bergen nichts am Hut. Ihre beste Freundin hat sie dann zum Skifahren eingeladen und hier hat sie sich unsterblich in die Berge verliebt. Im
folgenden Sommer wurde gleich Wanderurlaub nachgeschoben und um die gute Gabi war es restlos geschehen. Flugs wurde die Lebensstellung in Leverkusen gekündigt und der Lebensmittelpunkt nach München verlegt, weil näher an den so geliebten Bergen. Von nun an waren die Wochenenden von Wanderungen im Sommer und Skifahren im Winter geprägt. Wie sich das für einen guten Bergwanderer gehört, wurde die Mitgliedschaft im Alpenverein schnell zur Pflicht. Der Alpenverein beglückt seine Mitglieder mit einer Monatsschrift namens Panorama. Wie es sich für eine Zeitung gehört gibt es auch Anzeigen, z.B. Bekanntschaftssuche. Auf Andis Annonce: „Ich liebe die Berge. Ich weiß, dass es dich gibt.“ hat sich Gabi gemeldet. Jetzt sind sie verheiratet und in der Zwischenzeit, nach langem Suchen, auch Hüttenwirte in Kitzbühel. Wie das Leben manchmal spielt.
Außerdem erleben wir, dass sich die Hüttenwirte auch anderweitig engagieren. Sie haben einem jungen Mann die Möglichkeit gegeben, eine Ausbildung auf der Hütte zu machen. Es handelt sich um einen Jungen aus Deutschland, der sich ebenso wie seine Chefin als Flachländer in die Berge vernarrt hat und hier ein doch eher karges Leben als alleinstehender Mann verbringen muss. Es kommen zwar jeden Tag Gäste herauf, aber ob sich dabei die richtige einstellen wird, halte ich für eher ausgeschlossen. Und wenn ich dann so manchen Abend auf einer Hütte vor meinem
geistigen Auge vorbei ziehen lasse, muss ich für mich feststellen, dass ich es dann doch lieber etwas spannender mag. Die Möglichkeiten zum Feiern sind hier oben sehr begrenzt. Aber da sind die Geschmäcker bekanntlich verschieden.
Die Hütte ist nicht so prall gefüllt. Es ist nur noch ein weiteres Ehepaar vor Ort, die sich abends ein wenig zu uns gesellen. Wir verbringen einen äußerst angenehmen Abend mit lustigen Geschichten von Gabi, einem tollen Essen von Andi, Kartenspielen und Trinken.
Am nächsten Morgen müssen wir ins Tal. Der Weg ist nicht schwierig und wir laufen einen extra Weg,
damit wir nicht zu schnell am Auto sind. Wir kommen schließlich in Aurach an, wo ich vergeblich versuche Einheimische per Autostopp zum Anhalten und mitnehmen zu animieren. Leider sind Anhalter nicht mehr sehr beliebt, es hält
keiner an und wir müssen zur örtlichen Tankstelle wandern, die gleichzeitig die Taxizentrale ist. Der Chef fährt uns persönlich nach Kitzbühel zum Parkplatz und setzt uns am Auto ab. Eine wirklich wunderschöne Tour endet hier.