Bergtour 18: Zillertal Mayerhofen
Tourbuch 1. Tag Mayerhofen, Edelhütte, 2. Ginzling Berliner Hütte, 3. Tag Krimler Wasserfälle 4.Tag Heimfahrt
Teilnehmer:
Achim
Hans-Werner
Ich bin der letzte Mohikaner. Bisher war es Reiner und mir vergönnt, die letzten Dauerteilnehmer
an allen Touren zu sein. Irgendwie hatte ich immer befürchtet, dass ich durch meine schrift-
stellerischen Tätigkeiten und Berichte über unsere Touren alle Fahrten mitmache, und alle
anderen sagen ab, wenn ihnen der Termin nicht zu sagt. Für dieses Jahr haben sich Achim,
Reiner und ich auf eine Tour ins Zillertal geeinigt. Dort wollten wir schon vor einigen Jahren
wandern, die Tour war aber schlechtem Wetter zum Opfer gefallen und wir sind stattdessen
nach Osttirol gefahren.
Es soll unsere erste Fahrt werden, die wir nicht als reine Hüttentour planen, sondern wir haben
ein preiswertes Hotel mit Halbpension in Mayrhofen ausfindig gemacht. Geplant werden keine
Touren, dies wollen wir vor Ort nach Wetter, Kondition und Lust spontan entscheiden. Es sind
genügend Aufstiegshilfen in Form von Straßen und Bergbahnen vor Ort und es muss ja auch
nicht immer gleich auf 2000 m gewandert werden.
So weit die Planung. Wir werden leider von der traurigen Realität eingeholt.
Reiners Mutter verstirbt 2 Tage vor Tourbeginn nach langer, schwerer Krankheit.
Reiner fällt somit aus und auch Achim und ich sind hin- und hergerissen, ob wir starten
sollen. Da das Zimmer seit vielen Monaten gebucht und die Wettervorhersage vielversprechend
ist, fassen wir den Entschluss zu zweit zu fahren. Ich nehme vorweg, auch das ist schön.
Wenn ich aber an Fahrten mit 4, 5 oder 6 Personen zurückdenke, ist eine Tour zu zweit eher
beschaulich. Ich bin halt mehr fürs grobe!
Wie immer ist die Hinfahrt eine kernige Sache. Früh raus aus den Federn, um 3 Uhr Achim
abgeholt, der dann auch gleich das Steuer übernimmt und uns sicher nach Geiselwind überführt.
Tankstop und kleines Frühstück und ich fahre bis nach Rosenheim. Hier sorgen wir für die
erstmalig nötige Vignette und genügend Flüssiggas um auch Exkursionen in Österreich erfolgreich
durchführen zu können. Die letzten 100 km eilen wir dem Ziel entgegen und tanken in Österreich
noch schnell preiswertes Super. Der beste Preis, den ich seit 4 oder 5 Jahren zu zahlen habe.
Um kurz nach 12:00 Uhr mittags erreichen wir unser Hotel Stoanerhof, dass ich durch Zufall bei
einer Onlineauktion ausfindig gemacht habe. Gebucht habe ich nach einem Anruf direkt vor Ort,
weil wir ein Dreibettzimmer benötigten, aber grundsätzlich online nur Doppelzimmer über die
verschiedenen Anbieter an den Mann gebracht werden. Das gute alte Telefon und das persönliche
Gespräch werden durch die tollsten Onlineseiten nicht ersetzt. Gut so.
Bei der Ankunft teilt uns das Personal mit, dass die Stornierung von Reiner ohne finanzielle
Folgen für ihn erfolgt. Das ist doch einmal ein extrem netter Anfang. Das Zimmer ist groß,
nett und sehr zweckmäßig. Alles ist natürlich besser als eine Hüttenübernachtung im 40 Mann
Lager. Private Dusche und Toilette. Komfort ohne Ende.
Wir erkundigen uns gleich nach den Wandermöglichkeiten für den Nachmittag. Das Personal
gibt uns den Tipp mit der Ahornseilbahn auf den Berg zu fahren und dann eine gemütliche
Tour zu Edelhütte zu starten. Der einfache Weg ist mit 1,5 Stunden ausgewiesen, also ein prima
Einstieg für den ersten Tag nach 4 Stunden Schlaf und 9 Stunden Anfahrt.
Wir erhalten eine Gästekarte, die uns einen Rabatt von 10 % auf den
Fahrpreis einbringt. Nach dem Fahrkartenkauf fragt uns die Verkäuferin,
ob wir uns gegen Regen gewappnet haben. Das habe ich natürlich nicht.
Im Tal ist es nicht besonders schön, von Regen jedoch keine Spur. Aber
auf dem Berg regnet es seit wenigen Minuten. Das konnte uns die geschäftstüchtige
Dame natürlich nicht sofort mitteilen, weil eventuell die Tickets nicht an den Mann
gebracht worden wären. Außerdem gibt es an der Kasse praktischerweise auch
Regenponchos zu erwerben. Aber nicht mit mir. Wenn ich mich genötigt fühle,
schalte ich auf Stur. Also fahre ich ohne Regenschutz bergauf. Eigentlich wäre es
kein Problem gewesen kurz zum Haus zurück zu gehen. Der Stoanerhof liegt kaum
5 Minuten Fußweg von der Talstation des Lifts entfernt. Aber da ich nicht besonders
gerne in Plastikregenjacken wandere, verzichte ich darauf.
Achim hat sich in eine leichte Regenjacke gewandet, deshalb ist es ihm egal, ob es regnet.
Die Auffahrt mit der Seilbahn ist so kurz, dass an einen Wetterumschwung nicht zu
denken ist. Es regnet immer noch. Die Umstehenden schauen mich ein wenig skeptisch
an, weil ich ohne Jacke losgehe. Aber was ein echter Kerl ist, der ignoriert auch
Anfängerblicke.
Wir stehen auf einer Art Hochplateau, wie es typisch ist für die Bergstation einer
Seilbahn. Schon bei der Auffahrt macht Achim Andeutungen, dass ihm das ganze
irgendwie bekannt vorkommt. Nun ist Achim nicht als ausgewiesener Kenner und
Experte für Seilbahnen bekannt, aber sein hartnäckiges Suchen nach bekannten
Aussichten lässt erahnen, dass er tatsächlich Wiedererkennen hat. Da er als
Fotograf über ein einigermaßen geschultes Auge für Motive verfügt, scheint seine
Annahme begründet. Also frage ich nach, ob er schon einmal im Zillertal gewesen
ist, was man als Grundvoraussetzung für ein verlässliches Wiedersehen annehmen
sollte.
Achim überrascht mich mit der Aussage, dass er vor kurzem hier war um einen
Einstieg in seine noch junge Skifahrerkarriere zu wagen. Die Eheleute Bartel und
ein befreundetes Paar wohnten in Zell am Ziller, ein Nachbarort von Mayrhofen.
Die Freunde sind offensichtlich langjährige erfahrene Skiläufer. Als solche sind
sie ihrer Verpflichtung als Multiplikator für die notleidende Skiindustrie
nachgekommen und haben Achim und Sandra als Nachwuchs Rennläufer geworben.
So weit, so gut. Theorie und Praxis, zwei Welten treffen auf einander. Ich lehne
mich an dieser Stelle einmal weit aus dem Fenster und fange eine Privatfehde
mit den mir unbekannten Freunden der Beiden und gleichzeitig mit der bayrisch/
österreichischen Skilehrerszene an. Die Zeiten, in denen man seine skiläuferischen
Anfänge und den Einstieg in das schönste Hobby der Welt in der gleichzeitig relativ
schwierigen Bergwelt der Alpen und einem teuren Anfängerkurs bei einer ansässigen
Skischule macht, gehören der Vergangenheit an. Wir leben im 21. Jahrhundert. Und
zu den segensreichen wie überflüssigen Errungenschaften dieses Zeitalters gehört der
Bau von Skihallen in die niederrheinische Tiefebene, das ach so reizvolle Ruhrgebiet
und sogar ins benachbarte, fussballtechnisch verfeindete Holland. Und in eben diesen
Skihallen lernt man heute ganz entspannt Skilaufen. Vorbei sind die Zeiten, in denen
man wertvolle Urlaubstage im Dauerschneefall, bei Regen oder Tauwetter auf einem
Idiotenhügel todesmutig verbracht hat. Heute fährt man kurz um die Ecke, leiht ein
paar Ski für den Rest des Tages aus und probiert, ob man die Wahnsinns Todespisten
von Neuss oder Bottrop im Schuss oder mit einigen kleinen Haken bewältigen kann.
Die Carvingski helfen dem Anfänger dabei natürlich ausgesprochen. Sollte der erste
Versuch kläglich scheitern, weil dir der anleitende beste Freund grade einmal nicht so
wirklich gut gesonnen sein sollte, kann man immer noch einen Anfängerkurs für den
folgenden Tag buchen. Und jetzt kommt das Beste. Der Erfolg wird genauso gut,
wahrscheinlich sogar besser als in einem gottverlassenen Bergdorf sein. Und nach
den ersten Erfahrungen kann man sich in der nebenliegenden Pistenbar ordentlich
abschießen und im eigenen Bett nächtigen. Perfekt, oder?
Hat man diese Bretterfahrungen gemacht, wird man in den Alpen wohl kaum um
einen Erweiterungskurs herum kommen, aber der findet schon auf richtigen
Hügeln oder Bergen statt und der weitere Erfolg stellt sich ungleich schneller ein.
Schöne neue Zeit!!!
Aber ich schweife mal wieder vom wichtigsten, dem Wandern ab. Wir waren bei Achim
und Sandra im Winter. Achim ist sich sicher, dass ihn sein übermütiger Freund nach
einem kurzen Abstecher auf einen Idiotenhügel in Zell am Ziller auf eben diesem
Hochplateau von Mayrhofen an einem der zahlreichen Lifte ausgesetzt und seinem
Schicksal überlassen hat. Der böse Freund!!! :-) Sowas macht man nicht (jedenfalls
nicht so oft - - - nur so oft wie nötig!). Insgesamt hat es dazu geführt, dass Achim mit
seiner Skifahrerkarriere ein wenig hadert und das Wandern im Winter für sich entdeckt hat.
Er behauptet steif und fest, dass sei abgesprochen und von vorn herein beabsichtigt
gewesen. Ich würde ihm gerne glauben!
Mit vielen guten Gedanken an seine Skifahrerkarriere starten Achim und ich unsere
Wanderung in Richtung Edelhütte. Ein toller Weg, der uns nicht zu sehr fordert. Einzig
der Dauerregen trübt den positiven Gesamteindruck. Ich bin mit einer leichten Laufjacke
ausgerüstet, dazu hab ich eine Kappe an und zum Rückenschutz einen Rucksack
geschultert. Die Laufjacke heißt aus vielen verschiedenen Gründen nicht Regenjacke.
Der wichtigste von allen ist offensichtlich. Die Jacke hält absolut keinen Regen ab.
Sie ist dünn genug sich nicht voll zu saugen wie ein Schwamm, aber das ist nur ein
schwacher Trost. Ich stapfe unserem Ziel entgegen und freue mich a) auf etwas Warmes,
b) die Jacke ausziehen zu können und c) auf einen Obstler. Außerdem ärgere ich mich,
dass ich nicht kurz zurück gegangen bin, um die Regenjacke zu holen. Und Ärger will
weggespült werden, also her mit dem Obstler! Bis zur Hütte bewundern
wir, dass in dieser Gegend die Gummischläuche wachsen. Ich hab mich immer
schon gefragt, wo die wohl so ihren Ursprung haben und freue mich deshalb umso
mehr, auch dieses Geheimnis gelüftet zu haben.
Die Hütte ist nett, der Topfenstrudel lecker, nur warm ist es irgendwie nicht. Jedenfalls
nicht so warm, dass meine Jacke trocknet. Der Gedanke an den Rückweg wird nicht
angenehmer, wenn man in eine feuchte, kalte Jacke steigen soll. Egal, da muss ich
durch. Wir gehen auf dem gleichen Weg zurück und stehen nach rund 1,5 Stunden
wieder an der Seilbahn.
Wir haben ausreichend Zeit bis zur letzten Bahn bergab und schauen uns an, wo sich Achim
als Franz Klammer, der Jüngere, ausgetobt hat. Die Steilheit der Streif in Kitzbühel wird nicht
erreicht und der Tellerlift, den der Gute benutzt hat, lässt auch auf einen eher moderaten
Schwierigkeitsgrad der Piste schließen. Aber man weiß ja nie, sowas täuscht schnell, wenn
kein Schnee liegt!
Ich bedauere Achim und spreche ihm für seinen Todesmut, diese Piste
geschafft zu haben, meine ausdrückliche Bewunderung aus.
Damit ist für Achim ein Problem noch nicht gänzlich abgeschlossen. Denn jetzt kommt für ihn
der krönende Abschluss des Tages. Er darf endlich mit der Seilbahn wieder ins Tal. Wie
beschrieben, sind Tage ohne Seilbahn für Achim gute Tage, dieser ist also eher suboptimal.
Und die Seilbahn jagt ihm Angstschweiß auf seine, für sein fortgeschrittenes Alter, erfreulich
glatte Stirn. Ich gebe gerne zu, dass mir Seilbahnfahren a) gefällt, weil es bequem und
gelenkschonend ist, b) noch nie Angst gemacht hat und c) diese Seilbahn wirklich schön steil ist.
c) ist jetzt nicht so tragisch, dass ich deshalb a) und b) spontan ins Gegenteil verkehrt sehe
und bleibe gelassen.
Achim ist eher unentspannt. Ich dagegen plane vergnügt den nächsten Tag im Angesicht von
a) mindestens 300 m Nichts unter mir und b) der Aussicht auf die Penkenbahn, die den
gegenüberliegenden Berg hinauf und wieder hinab gleitet. Ich hätte nicht gedacht, dass
Achim im Angesicht von a) und dem Gedanken an b) noch unentspannter werden kann.
Aber ich kann dem geneigten Leser versichern, es geht. Der Gedanke, die Ahornbahn 2 x
überlebt zu haben, um dann in die Penkenbahn steigen zu müssen, macht aus dem
lammfrommen Fotografen einen rasenden Wüterich. Jedenfalls bildlich gesprochen.
Achim schildert mir das Horrorszenario von schaukelnden Gondeln, die bei Sturm mitten
in der Fahrt quasi direkt vor dem Absturz angehalten werden müssen und deren Besatzung
unter Einsatz von Leib und Leben der ortsansässigen Bergwacht vor dem sicheren Tod bewahrt
werden muss. Mein zaghafter Einwand, dass mir derlei nicht täglich zu Ohren gekommen und
schon gar nicht bei derzeitiger Windstille damit zu rechnen ist, wischt Achim wenig zimperlich
beiseite und ich muss erkennen, dass er an diesem Leben hängt. Es scheint sein einziges zu sein.
Wir stellen das Thema zurück und konzentrieren uns auf den Abschluss des Tages. Nach
Jahren auf Hütten, die nicht alle schlecht ausgestattet waren, aber die zumeist doch einiges
an Luxus entbehrten, kommen wir in ein Zimmer mit Dusche. Damit lässt sich vortrefflich
aufwärmen, erfrischen und planen. Nein, Achim ist auch jetzt noch nicht davon zu überzeugen,
dass die Penkenbahn unser nächstes Ziel sein sollte.
An die Kurverwaltung von Mayrhofen: Sagt nicht, ich hätte nicht alles versucht.
Zum Abendessen haben am Nachbartisch Leute eine Wanderkarte mitgebracht. Sie planen
ihre Tour und ich schau ihnen gern über die Schulter. Wir haben zwar vom Haus ein paar
Wanderkarten geliehen, aber deren Maßstab ist gefühlt 1:1. Da weder Achim noch ich
begnadete Kartenleser sind, kommen wir mit diesen Dingern nicht voran und freuen uns
über die übersichtliche Karte unserer freundlichen Nachbarn. Schnell ist ein Plan entstanden.
Wir fahren nach Ginzling und steigen zur Berliner Hütte auf.
Nach dem Abendessen gehen wir noch ins Dorf. Wir haben uns bei unserer Gastgeberin
nach Möglichkeiten für ein entspanntes Tagesabschluss Bier erkundigt. Ihr ziemlich
schnippischer Hinweis auf diverse (O-Ton: viel zu viele) Pubs im Dorf lässt vermuten,
dass sie trotz ihres eher jüngeren Alters auf traditionelle Gastronomie zählt. Uns bleibt
es versagt, die Menge der ach so viel zu vielen Pubs zu entdecken. Entweder sind wir blind,
die Pubs liegen abseits oder sie sind im Sommer getarnt. Wir haben keine entdeckt. Das
erste Lokal, dass entfernt an Pub erinnert, suchen wir auf. Es ist die Hölle los. 2 Einheimische
stehen an der Theke und trinken Bier. 2 Auswärtige haben einen Stehtisch ergattert.
Und dann kommen wir 2 beiden. Wir suchen ein wenig und finden ebenfalls einen netten
freien zwischen anderen leeren Stehtischen. Die Party ist in vollem Gang und da
wir schon seit 2 Uhr wach sind und am nächsten Tag ausgiebig wandern wollen,
verlassen wir diesen wilden Ort relativ frühzeitig.
In unserem Hotel kann nicht alles perfekt sein, und der Haken muss irgendwann kommen.
Ich hab mit vielem gerechnet, aber das es ausgerechnet die Betten sind, damit nun doch
nicht. Sie knarren so laut, dass man beim rumdrehen vom Lärm geweckt wird. Achim
kann sich meiner Darstellung nicht gänzlich anschließen, er behauptet, mein Schnarchen
sei noch lauter. Das halte ich für Verleumdung, da ich mich noch nie schnarchen gehört habe
und außerdem sowieso nicht schnarche. Wer es nicht glaubt, frage bitte meine Frau!
Am nächsten Morgen nehmen wir unser Frühstück vom Buffet ein und bereiten wir uns gut
gestärkt auf unsere Tagestour vor. Wir fahren nach Ginzling. Schon das ist Spitze, weil
die Straße ausschließlich für Motorradfahrer gebaut zu sein scheint. Kurve um Kurve
schlängelt sich, dass einem ganz warm ums Herz wird. Warum sind wir sonst immer von
Hütte zu Hütte gewandert? Da bekommt man so was nicht geboten.
Da wir uns nicht auskennen, halten wir an der Touristeninfo an und fragen nach dem Weg.
Der freundliche Mann am Schalter erklärt uns, dass wir noch 7 km weiterfahren sollten und
am Touristenparkplatz starten sollen. Ich frage freundlich nach, ob wir nicht direkt an der Info
starten können, da uns der Parkplatz hier so gut gefällt. Er findet die Idee großartig, allerdings
weist er daraufhin, dass der einzige Weg hinauf die vor uns liegende Bergstraße ist und wir
somit nach genau 7 km an eben der Stelle ankommen, an der wir sonst nach relativ kurzer
Autofahrt ebenfalls starten. Kurz überlegt, entscheiden wir uns tatsächlich noch einmal das
Auto zu besteigen und den nächsten Parkplatz anzusteuern, der im Übrigen kaum schlechter
ist als der Parkplatz der Info und den bezeichnenden Namen „Ewige Jagdgründe“ hat.
Unsere freundliche Gastgeberin hatte uns schon am Vortag empfohlen am folgenden Tag nach
Ginzing zu fahren, da dort der jährliche Almabtrieb statt finde. Eine Aussicht, die uns nicht
restlos überzeugen konnte. Sie wies jedoch darauf hin, dass es ein besonderes Erlebnis ist,
insbesondere weil es von einem Privatbauern alleine organisiert wird. An unsere Zurückhaltung
gegenüber diesem Event sollte sich trotz der verlockenden Aussicht nichts ändern.
Kurz nach dem Start vom Parkplatz kommen wir an einem alleinstehenden Hof vorbei, vor dem
sich einige wenige Touristen tummeln und der Bauer samt Helfern versuchen, dass störrische
Milchvieh für den Abtrieb schick zu machen. Wir flüchten mit der Gewissheit, dass uns das
Event nicht interessiert und auch in alle Ewigkeit nicht interessieren wird. Ich bin mir sicher,
auch nie daran teilzunehmen. Aber das ist eher Theorie. Aber dazu komme ich später.
Der Weg hinauf zur Berliner Hütte ist mit 3 Stunden ausgeschildert. Damit haben
wir eine Tagestour von insgesamt 6 Stunden ohne Pausen vor uns und gehen gemächlich
voran. Der Weg entpuppt sich als Fahrstraße mit einem Schotterbelag, der einfach zu gehen ist.
Im Laufe der Jahre habe ich meinen Frieden mit diesen Straßen geschlossen. Früher war das für
mich undenkbar. Ein Weg hatte gefälligst steil zu sein, ich musste von Brocken zu Brocken klettern
und fühlte mich im Angesicht von Schotterhängen und Schneefeldern erst so richtig wohl.
Das hat sich mit zunehmendem Alter gelegt und erstaunt mich immer aufs Neue. Nicht, dass ich
nicht immer noch gerne schwierige Wege gehe, aber es macht mir nichts mehr aus, wenn der Weg
leicht ist. So habe ich Gefallen an unserem Weg und genieße dieses einmalig schöne Seitental.
Achim ist ebenso begeistert und erhebt dieses Tal flugs zu einem der schönsten, dass wir jemals
durchwandert haben. Ich pflichte ihm gerne bei. Wer nach einer wirklich schönen, leichten
Wanderung sucht, kommt an diesem Weg nicht vorbei. Leider ist uns Petrus auch heute nicht
besonders gut gesonnen. Gesonnen muss abgeleitet sein von Sonne, und genau eben jene fehlt
gänzlich. Stattdessen werden wir mit unterschiedlich starkem Regen verwöhnt. Aus dem Fiasko
vom Vortag habe ich gelernt und bin mit Regenjacke ausgerüstet. Anfangs versuche ich es ohne,
aber beim ersten Anflug von stärker einsetzendem Regen mache ich Gebrauch von meiner
Schutzkleidung. Wahrscheinlich hat jeder Leser einmal Regenjacken getragen und ich erzähle
somit nichts Neues, wenn ich von den Nachteilen eines an sich trockenen Oberkörpers berichte.
Erstens ist er nur vermeintlich trocken, da der Aufstieg trotz des leichten Weges beschwerlich
und schweißtreibend ist, was sich in einer Plastikhülle schnell potenziert. Und außerdem
verbleibt der auftreffende Regen zum Verdruss des Jackenträgers nicht an Ort und Stelle,
sondern gehorcht den Gesetzen der Schwerkraft. Am Ende der Jacke beginnt der nur durch
eine Stoffhose geschützte Teil der Manneskraft und der Oberschenkel. (Zur Erklärung für die
Damen: Ehre wem Ehre gebührt, die Manneskraft reicht selbstredend bis weit auf den
Oberschenkel hinab, aber das ist nicht mehr wichtig, wenn sie ständigem Regen von oben
ausgesetzt wird) Alles ist klatschnass und eigentlich ist es damit noch schlimmer als gestern.
Wanderhosen haben dabei einen entscheidenden Vorteil. Sie sind so dünn, dass sie durch die
Körperwärme extrem schnell trocknen. Hört es zwischenzeitlich auf zu regnen, sind wir schnell
wieder fast oder manchmal sogar ganz trocken. Aber das ist immer nur kurz so. Meistens sind
wir pitschnass. Bei einem weniger schönen Weg hätte die Stimmung schnell kippen können und
uns zur Umkehr animiert.
So aber schreiten wir voran und nähern uns unserem Zwischenziel Waxeggalm, an der
wir uns stärken wollen. Wir kommen gut voran und machen eine kurze Rast in Höhe der
Grawandhütte, die nicht bewirtet ist. Wir kommen an den Resten der V1 vorbei, die hier
noch in der Gegend rumliegen und wundern uns, wie simpel die Technik war. Wer es nicht
glaubt, ich habe aus Gründen der Geheimhaltung keine Fotos gemacht, aber Interessierte
können sich vor Ort überzeugen gehen.
Neben den Resten deutscher Kriegs- und Ingenieurskunst parken einige wenige Autos,
von Arbeitern, die sich um den Erhalt der Straße verdient machen. Ein lobenswertes
Unterfangen. Kurz danach werden wir erstmals erfahren, warum die Arbeiter nicht
weitergefahren sind. An der Straße steht ein Schild in Form einer Uhr, deren Einteilung
für die Zeit von 0-15 Minuten grün gefärbt ist, danach folgt der Bereich von 15-30 Min in rot,
abgelöst von 30-45 Min wiederum in grün und die restliche Stunde wieder in rot.
Auch dem dümmsten Touristen erklärt sich sowas automatisch, aber es verbleibt eine gewisse
Restungewissheit, warum man die Straße nicht frei befahren darf. Da ein Schild „Privatstraße“
dazu gehört, glaubt man, dass sich der Hausherr zu gewissen Zeiten Ruhe ausbedingt, der
Snob.
Es ist uns vergönnt gewesen, genau an eben jener Stelle verweilen zu dürfen, die
ursächlich zur Aufstellung des Schildes beigetragen hat. Und ich muss schon sagen,
dass Schild entbehrt nicht einer gewissen Notwendigkeit. Um es schlicht
auszudrücken, sowas habe ich noch nie gesehen. Die Straße ist eng. Sehr eng,
sogar für ein Auto allein. An zwei ist nicht zu denken, da ein Ausweichen für
einen der Beteiligten unweigerlich mit einem Parkplatz in 250 m Tiefe belohnt
wird. Mangels notwendiger Sicherungen an der Straße ist die Fahrt auch für ein
einzelnes Auto nicht ohne ein gewisses Bauchkribbeln und einer gehörigen
Portion Lebensüberdruss beim Fahrer zu empfehlen. Entsprechend gering ist der
Verkehr. Von dieser Stelle gibt es von beiden Wanderern ausreichend
Bildmaterial, dass in Kürze dem Text zugefügt wird.
Nach Teil I der Fotoserie, die auf dem Rückweg von einer abschließenden Serie Teil II
abgerundet werden soll, gehen wir zur Waxeggalm, wo wir uns trocknen und mit Bier
und Suppe stärken.
Bis hierher reicht die Fahrstraße, der Restweg zur Berliner Hütte wird durch den üblichen
steilen Bergpfad gebildet, auf den ich mich jetzt auch freue. Nach einer weiteren halben
Stunde Wanderung stehen wir vor dem Ehrenmal der Gefallenen der beiden
Weltkriege, das die Alpenvereinssektion Berlin mitten in den Fels eingelassen
hat. Ein beeindruckendes Mahnmal an außergewöhnlicher Stelle.

Wenn man aber schon mal von beeindruckend spricht, sollte man gleich auch auf die Berliner
Hütte, die wenige Minuten später erreicht wird, hinweisen. Diese Hütte ist der Hammer.
Imposant am Berg gelegen, früher zu Fuße des Gletschers, der heute einige
hundert Meter höher ein karges Überleben fristet. Die Hütte ist schon von außen
riesig. Aber der Wanderer und Autor ist, nach langen Jahren Hüttenerfahrung,
nicht auf dieses einmalige Ambiente eingestellt. Die gemeine Alpenhütte hat
einen Seiteneingang, hinter dem sich ein mehr oder minder schmaler Flur
anschließt, der gerne mit einem Schuhregal dekoriert ist und die nötige
Duftnote „feuchtkalte Luft und Fußschweiß“ beherbergt. Dahinter befindet sich
mit schöner Regelmäßigkeit der Eingang zum Gastraum und links oder rechts führt
eine Stiege in die Lager und Zimmer. Nicht so die Berliner Hütte. Hier
schreitet man in eine Empfangshalle von hochherrschaftlichen Ausmaßen, die dem
Raum ungekannte Weite bietet. Dazu führt eine dreifach gewendelte Treppe in die
Obergeschosse, auf denen man spontan Sissi und ihren Franzl im vollen Ornat
erwartet. Erleuchtet wird der Raum von Kronleuchtern! Das Ganze ist schon
annähernd ein Gesamtkunstwerk. Preußisch, wie es im Buche steht. Die Hütte ist
in drei Bauabschnitten erbaut worden und der letzte wurde im Jahre 1912 vollendet.
Das ist bemerkenswert, da die Hütte insgesamt eher den zweifelhaften Geschmack
des 1000 jährigen Reiches verkörpert und man unweigerlich einen Gauleiter hinter
dem Empfangsschalter und eine Ansprache von Göbbels aus dem Lautsprecher
erwartet. Dieser Eindruck wird durch zahlreiche Emailleschilder aus längst
vergangenen Tagen, Türknöpfen in Form von Frauenbrüsten und Türschildern mit
dem Hinweis „Stoßen“ statt „Drücken“ verstärkt. Ein Blick auf die Homepage der
Hütte und in die Galerie lohnt auf alle Fälle.
Nach einer kurzen Rast begeben wir uns auf den Rückweg. Leider regnet es wieder in Strömen.
Alles, was bisher abgetrocknet war, wird aufs Neue restlos durchnässt. Petrus
muss etwas gegen uns oder gegen den Almabtrieb des örtlichen Bauern haben. Wahrscheinlich
möchte er, dass die Kuhfladen nicht unnötig lange auf der Straße liegen
bleiben.
Das Wetter ändert sich jedoch, als wir wieder am beschriebenen Engpass der Fahrstraße
ankommen. Hier möchte uns Petrus die Gelegenheit für eindrucksvollere Aufnahmen gewähren
und lässt die Wolkendecke aufreißen. Es soll den gesamten weiteren Rückweg
nicht mehr regnen und wird auch das restliche Wochenende so bleiben. Geht doch,
Petrus!
Der Weg ins Tal ist lang und wir nehmen einen Seitenweg, um nicht gänzlich die gleichen Pfade
wie bergauf laufen zu müssen. Eine willkommene Abwechslung durch den Wald.
Nach 3 Stunden stehen wir wieder an unserem Auto und fahren zurück zum Hotel. Es war ein
langer Tag und wir kommen grade rechtzeitig zum Abendessen. Große Lust, das
ausschweifende örtliche Nachtleben zu erkunden, haben weder Achim noch ich nach
der anstrengenden Tour. So gehen wir brav früh ins Bett.
Ich erwache am nächsten Morgen mit Muskelkater. Das ist nicht schön, dafür ist das Wetter
schön. Ich freue mich auf eine weitere mehrstündige Tour, doch ich bin nicht
der einzige mit Problemchen. Achim hat es offenbar schwerer erwischt. Er hat
schon auf dem gestrigen Rückweg Schmerzen verspürt, ihnen jedoch keine
Aufmerksamkeit geschenkt. Die fordern sie nun mit Nachdruck ein und Achim ist
sich sicher, dass eine anstrengende Bergetappe für ihn nicht zu schaffen ist.
Und wenn er aus dem Fenster auf die Penkenbahn schaut, werden die Schmerzen
sogar noch größer. Er schlägt einen Tag in Innsbruck vor. Da ich jedoch keine
Lust auf Pflastertreten verspüre, suchen wir nach einer für beide Seiten
akzeptablen und schonenden Alternative. Die örtlichen Prospekte und mein
freundlicher Nachbar, der 4 Wochen vor uns im Zillertal war, empfehlen die
Krimmler Wasserfälle. Das klingt nach schöner Aussicht, gemütlichem Wandern und
ausreichend Abwechslung, so dass wir uns auf dieses Ziel einigen.
Ein Blick in die Karte zeigt uns, dass wir die Gerlospassstraße wählen müssen, danach
geht es weiter nach Krimml über eine Mautstraße. Die Strecke ist etwa 45 km lang und
sie soll uns ewig in Erinnerung bleiben. Wir sind auf der Passstraße ziemlich
einsam unterwegs. Es geht hübsch in Serpentinen hinauf und man wünscht sich,
zweirädrig unterwegs zu sein. Und das wird noch schlimmer, weil uns das
Autofahren mal so richtig vergrault wird. Wir sind kurz vor Gerlos, als die
Straße ziemlich eng wird. Nicht, dass sie eine Ausbaustufe zurück genommen
haben. Nein, es ist die unselige Erfindung „Almabtrieb“, die uns die Fahrbahn
nimmt. Die lieben Kühe stellen sich ziemlich ungeschickt an und halten die
Treiber mächtig auf Trab, damit es nicht zu unliebsamen Zusammentreffen
zwischen Kuhhaut, auf die eh nix geht, und Hochglanzlack kommt. Die
Wandergesellschaft ist zwar schnell vorbei und wir starten, nun mit vielen
anderen zusammen, erneut eine kurze Etappe, bis uns weitere Fladenwerfer an der
Weiterfahrt hindern. War die erste Gruppe noch wohlerzogen und stubenrein,
versaut diese Herde mit großer Sorgfalt den Asphalt und kommt, wie die erste
auch, den Fahrzeugen extrem nah und hält die Treiber bei Laune und auf
Geschwindigkeit. Zum Schluss kommen dann die ganz schlauen Kühe. Das sind die,
die sich vor dem Laufen drücken und nun im Wagen transportiert werden. Ich
hoffe für sie, dass ihre kleine Schwäche nicht missverstanden wird und die
Fahrt beim örtlichen Schlachter endet.
Auch diese Gruppe ist irgendwann durch und wir fahren bis zum Ortseingang Gerlos. Der
Ort ist ein reines Straßendorf mit einem kleinen, aber für den heutigen Tag fürchterlichen
Nachteil. Es gibt nur eine Straße. Und auf eben dieser Straße tobt das Rindvieh in vielfacher
Form. Es gibt vor allem vierbeinige, die heute ihren großen Tag haben, Kopfschmuck tragen
und zu einem Großteil den Winter im Tal in einem beschaulichen Stall verbringen werden um
nächstes Jahr vergnügt einen weiteren Sommer auf österreichischen Saftwiesen zu
wiederzukäuen. Dann gibt es vierbeinige, die sich zu sicher sind und den Winter im örtlichen
Lebensmittelhandel verwurstet auf Kundschaft warten müssen. Außerdem gibt es zweibeinige,
die vierbeinige von Ausflügen in Schluchten und Kotflügel fernhalten sollen. Und letztlich
haben sich enorm viele zweibeinige zur Beschau der restlichen Zwei- und Vierbeiner
versammelt, die keine andere Aufgabe haben, als den Verkehr unnötig zu erschweren.
Sie stehen blöd rum, sitzen an Bierzeltgarnituren und schlemmen oder machen Bilder.
Alles in allem sind diese Rindviecher die harmlosesten von allen, aber auch die sind heute
zur falschen Zeit am falschen Platz. Wir werden zuerst einmal vom Ortssheriff an den linken
Straßenrand gebeten und uns wird erklärt, dass hier heute Almabtrieb ist. Oh Wunder!
Das ist eine wirkliche Überraschung. Wir erhalten die Auskunft, dass es in 2 Minuten
weitergehen wird.
Nach ca. 5 Minuten fragen wir noch einmal nach und entschließen uns auf die
Fahrbahn zurück zu fahren. Hier werden wir vom nächsten Hüter des Gesetzes
freundlich aufgehalten. Er kann keine genauen Auskünfte geben und redet
stattdessen enorm wichtig mit seinem Walkie-Talkie. Da kein Fortkommen erkennbar
ist parken wir unseren Wagen erneut und schauen selber einmal nach dem Rechten.
Das Kaff ist nicht Manhattan, aber es ist fast so voll. Jeder trinkfeste hat
sich hier oben eingefunden. Was man nun an Kühen mit Hut betrinken muss,
erschließt sich mir nicht. Gut, ich gebe gerne zu, dass ich auch nicht immer
einen Grund zum Besaufen habe oder brauche. Aber weil Kühe auf der Straße sind,
muss sich nun wirklich kein Mensch weltweit besaufen. Man denke nur an die
armen Inder, die quasi die Diplomalkoholiker auf Erden wären, weil ihnen die
Rindviecher erstens heilig sind und sie außerdem auf den innerstädtischen
Straßen omnipräsent sind. Ob das mit dem Karma und der Askese vereinbar ist,
wage ich zu bezweifeln.
Nach einer geschlagenen Stunde und mehrfachem Hin- und Her wandern durch Gerlos
sind wir tatsächlich an der Reihe und dürfen den Ort des grausigen Geschehens hinter
uns lassen. Jetzt geht es zur Mautstraße, auf der mir Achim noch geschwind erzählt,
dass er im linksseitig erkennbaren Skigebiet schon einmal war. Langsam kommt
mir das bekannt vor. Aber nein, hier war er nur als Wanderer, nachdem er seine
kurze aber intensive Skiläuferkarriere abgebrochen hat und hat seine Lieben alleine
dem Ski Glück ausgesetzt. Achim im Schnee. Ich kann es immer noch nicht recht
glauben. Aber es gibt Bilder. Zumindest vom Zillertal im Schnee. Also entweder
war er wirklich hier und die Bilder sind von ihm oder er hat geschickt
gegoogelt (Er nennt es übrigens Yahooen, aber so sind die Applefreaks nun mal. -
Immer eine Spur versnobt)
Ich habe keinerlei Sehnsucht mehr nach Kühen und bin froh, dass wir endlich freie Fahrt haben.
Wir erklimmen die 8€ Mautstraße und auf dem Weg bergab kommen wir an einem
Aussichtsparkplatz vorbei, wo wir zum ersten Mal die Wasserfälle gemeinsam mit
einer 50 köpfigen Reisegruppe Diplomrentner aus Steinfurt bestaunen können.
Außerdem liegt im Tal eine dichte Wolkendecke, was für ein besonderes Panorama
sorgt, weil somit über uns nur noch wolkenloser Himmel zu sehen ist. Danke Petrus.
Wir fahren zum Parkplatz und werden um weitere 5€ erleichtert. Kein Wunder, dass bei den
Preisen kaum jemand hier ist. Jedenfalls jetzt noch nicht. Bei der Rückkehr sind alle Plätze
ausgebucht. Weitere 5€ werden fällig, um den wirklich bestens ausgebauten Weg zu den
Wasserfällen benutzen zu dürfen. Der Rest ist Natur und somit kostenfrei zu besichtigen.
Die Wasserfälle werden als die fünfthöchsten der Welt beworben und die 380 Höhenmeter,
die sie überwinden sind tatsächlich erwähnenswert. Und erlebenswert.
Achim ist immer noch ein wenig gehandicapt, geht aber trotzdem mit, den Weg bergan.
Wir kommen an mehreren Aussichtpunkten entlang und machen einen Haufen Fotos.
Die Gegend und der Wasserfall sind ein Traum. Der Weg ist lang, relativ steil, aber sehr
gut ausgebaut. Man wundert sich, welche Menschen hier so unterwegs sind. Junge,
Alte, Dünne, Dicke und Mohammedaner. Davon beeindruckend viele. Es ist auffällig,
wie viele von Ihnen den Weg hierher gefunden haben. Es ist ja nicht so, dass sie sonst
nicht auffallen, aber sie sind nicht unbedingt berühmt dafür, sich an weltlichen
Touristenattraktionen vermehrt aufzuhalten. Sei es drum, sie sind willkommen.
Nach etwa einstündigem Aufstieg wird es Achim zu viel. Er sorgt sich, dass sein Bein
noch schlimmer werden könnte. Deshalb schickt er mich alleine weiter. Ich möchte
gerne den ganzen Weg bis zur Spitze des Wasserfalls erklimmen und gehe deshalb
auch weiter. Nach einigen Minuten habe ich das mittlere Becken erreicht und
ärgere mich, dass Achim nicht bis hierher weitergegangen ist. Hier liegen
riesige Felsplatten im Wasser und am Ufer und laden zum Hinlegen, Beine baumeln
lassen usw. ein. Das wäre ein Ort nach Achims Gusto. Schade. Aber ich gehe
weiter und bin erstaunt, denn jetzt wird der Weg erst richtig steil. Ich komme
mächtig ins Schwitzen und muss mich anstrengen. Aber ich schaffe es nach gut 30
minütiger Wanderung bis zum höchsten Punkt. Hier gibt es eine Art Hütte, wo die
einzelnen umliegenden Hütten und Almen angepriesen werden. Ich komme zu dem
Schluss, dass ich für die nächste Tour die Krimmler Wasserfälle und umliegende
Hütten als Ziel angeben werde.
Beim Abstieg kommen mir so manche alten Leute entgegen, die sicher weit über 70 Jahre
alt sind, nicht wenige davon haben mehr als ein Kilo Hüftspeck zuviel aufgelegt, aber sie
gehen zielstrebig voran. Sie haben meine uneingeschränkte Hochachtung. Es gibt
ersatzweise einen Taxidienst, der bis zur Mittelstation fährt. Den einfach so zu ignorieren
und den Weg auf Schusters Rappen zu machen finde ich erwähnenswert.
Irgendwann treffe ich auch wieder auf Achim. Er ist ein Stück den Weg weiter hinauf gegangen,
so hat er die schönsten Aussichtspunkte doch noch erreicht. Leider hat er es nicht
bis zur Mitte versucht, schlimmstenfalls wären wir mit dem Taxi ins Tal gefahren. Aber wir
wussten ja nicht, dass das möglich ist.
Wir machen uns auf den Rückweg und fahren wieder in Richtung Gerlos. Alle Vierbeiner
haben den Ort in der Zwischenzeit verlassen und es sind nur noch die trinkfreudigen
zweibeinigen Gesellen im Weg. Das ist nicht so schlimm, weil wir nicht aufgehalten werden,
sondern im Schritttempo weiter fahren dürfen.
Leider ist das nur die halbe Wahrheit. Der Ort ist kuhfrei, leider ist es die Gerlospassstraße
damit noch lange nicht. Einige Nachzügler haben keine Eile und behindern die
Weiterfahrt. Wir stecken erneut fest. Achim befragt sein Navi und erkennt im
nächsten Ort eine Umgehung. Wenn wir doch nur in diesen Ort kämen und dann an
die Abzweigung. So ein Viehtreck ist jetzt nicht der ICE von Nürnberg nach
Frankfurt. Kupplung quälend bewegen wir uns talwärts. Nach einer gefühlten
Ewigkeit haben wir die Abzweigung erreicht und es ist tatsächlich so, dass wir
als einzige den Weg probieren. Wir kommen wieder vor der Herde auf die
Hauptstraße und können endlich unbeschwert fahren. Es soll mir nie wieder
jemand mit Almabtrieb kommen. Ich wusste schon vorher, dass das nicht meine
Welt ist, ich musste es nicht auch noch in der Realität erleben.
Ich habe meiner Tochter versprochen, Gösser Radler mitzubringen. Also fahren wir kurz nach Zell
am Ziller in den Ort, um einzukaufen. Was sehen wir. Tausende zweibeinige
Rindviecher, die auf die letzten vierbeinigen warten. Hier ist offensichtlich
das Ende des Viehtrecks. Wir machen, dass wir so schnell es geht, die Flucht
ergreifen.
Wir sind früh zurück in Mayrhofen und entschließen uns, einen Absacker im Ort zu nehmen. Es
ist gute Tradition geworden, dass uns daheimgebliebene mit alkoholischen
Getränken auf unserem Ausflug sponsern. Dieses Mal hat es Reiner erwischt, weil
er erstmalig zu Hause verweilen muss, während wir uns quälen. Wir finden ein
nettes Lokal mit Außengastronomie. Mich lädt die Form der Sitzgelegenheiten zum
Verweilen ein und Achim hat schon wieder diesen leichten Anflug von Schweiß auf
der Stirn. Ein ausgedienter Sessellift hat großzügig zwei seiner alten
Sitzgelegenheiten für das Lokal geopfert und wir nehmen dort Platz. Achims
vornehme Abneigung gegen diese Form der Gemütlichkeit muss gebührend bekämpft
werden. Sowas kann man sich nur schön saufen, also geben wir uns Mühe. Es gibt
die üblichen Verdächtigen. Obstler, Enzian, Marille und Williams. Zusätzlich
gibt es die Rubrik „Edelbrände“. Da wir erstens gesponsert werden und zweitens
Achims Phobie gebührend bekämpft sein will, entschließen wir uns nach kurzer
Beratung mit dem Wirt zu einer Probe der Edelbrände. Ich nehme Williams, Achim
testet Blutorange. Geneigte Leser, lieber Reiner als Großsponsor: Es hat sich
gelohnt. Ein unvergessliches Ereignis, das geschmacklich alle schlechten
Vorgänger nachhaltig aus dem Gehirn vertreibt. Der Willy ist so gut, dass sich
Achim für eine Flasche des köstlichen Tropfens als Mitbringsel entscheidet. Und
ich schlage hiermit vor, dass wir uns zu einer spontanen Trinkprobe bei ihm
einfinden sollten. Er wird sich sicher freuen, uns zu sehen und etwas Gutes an
der Menschheit tun zu dürfen.
Damit findet unsere 18. Bergtour einen würdigen Abschluss. Wir haben am Sonntag nur noch die
Rückreise vor uns, weil wir ja nicht ins Tal absteigen müssen. Wir brechen um
10 Uhr Richtung Holzkirchen zum Hotel „Alte Post“ auf, was seit einigen Jahren
zum Pflichtstopp auserkoren ist. Ich esse hervorragende Kalbshaxe mit Knödel,
passend zur Oktoberfestzeit. Leider gibt es heute keinen Rotkohl. Wer einmal
nach Holzkirchen kommt, sollte sich auf keinen Fall den Rotkohl in der Alten
Post entgehen lassen, wenn es welchen gibt.
Danach möchten wir eigentlich nur so schnell wie möglich nach Hause. Wir haben aber zwischen
München und Nürnberg und vor Würzburg Riesenstaus. Wahrscheinlich haben die
zweibeinigen Rindviecher noch nicht genug vom Rumstehen und Gaffen.
Eine unvergessliche Tour. Nächstes Jahr wieder, aber möglichst ohne Stau!!!