Bergtour 5: Sajathütte
Dieters Tourenbuch:
Aufstieg von Bichl zur Sajathütte 2600m; 2.Tag über Bodenalm 1990m zur Niljochhütte 1960m
Ja. Es gab sie noch, die alte Sajathütte. In der Zwischenzeit musste die Hütte neu errichtet werden, da durch eine Gerölllawine die alte Hütte völlig zerstört wurde. Wer einmal an der alten Hütte gestanden hat, kann gar nicht glauben, dass dieses Gebäude gefährdet war.
Aber nun zur Chronologie.
Dieters Hang nach Osttirol setzt sich fort und wir sind gerne bereit ihm zu folgen. Da im letzten Jahr das bergauf Wandern ein wenig kurz gekommen ist, haben wir dieses mal am ersten Tag direkt 1100 Höhenmeter vor uns.
Zu dieser Fahrt haben sich wieder 5 Bergfreunde zusammengefunden.
Dieter
Achim
Frank
Reiner
Hans-Werner
Wir haben aus der Erfahrung der letzten beiden Jahre gelernt, und fahren mit 2 PKW. Das ist bequemer und bringt auf unserer Tour den angenehmen Nebeneffekt, dass Start und Ziel weit entfernt sein können, weil wir einen PKW am Start platzieren und einen Wagen am Ziel. Wir fahren, vom Zielplatz mit einem PKW weiter und lassen den anderen Wagen stehen. Am Ende der Tour werden wir es umgekehrt machen. Soviel zur Theorie.
Der Start ist grausam. Es ist heiß, es sogar sehr heiß. Das Thermometer zeigt 36°C. Selbst nach dem Anziehen, bin ich schon fertig. Wir laufen los und schaffen rekordverdächtige 200 m bis zur ersten Pause. Ich kann nicht mehr. Ich will zurück, am Parkplatz gab es doch dieses herrliche Restaurant mit der Aufschrift Gösserbier. Dort gibt es bestimmt auch was Gescheites zu essen und man kann ein nettes Zimmer mieten, in dem ich die nächsten beiden Tage verbringen werde. Vielleicht geh ich zwischendurch mal raus und lauf 400 oder sogar 500m. Bloß nicht jetzt in dieser Hitze.
Meine Mitwanderer sehen aus, wie das blühende Leben. Ich nehme mir vor, das ganze nächste Jahr ein straffes Sportprogramm durchzuziehen, damit ich auch so kraftstrotzend den Berg hinauf komme. Aber jetzt heißt es erst mal den nächsten Anlauf auf die Sajathütte zu nehmen. Wir starten erneut los und kommen wieder fast 200m weit. Jetzt bin ich tot. Es ist gar nicht schwer zu sterben. Eigentlich ist es Erholung. Ich werde nie wieder wandern müssen und das Sportprogramm muss ich auch nicht ausführen. Meine Mitwanderer scheinen auch nicht mehr so frisch zu sein. 400 m vom Auto entfernt, Fußweg bisher ca. 5 Minuten, 2 Pausen und keiner beschwert sich, dass es nicht vorwärts geht. Der Vorteil zum jetzigen Zeitpunkt ist, dass wir durch Wald wandern. Hier ist es nicht so heiß. Wie soll das erst werden, wenn wir in die pralle Sonne kommen.
Wider Erwarten belebt mich diese Pause, ich trinke ausgiebig, und mir geht es endlich besser. Das nächste Stück gehe ich gelassener an, und komme gut mit. Auch den anderen scheint die Pause gut getan zu haben. Wir laufen nun unser normales Bergtempo und machen auch normale Pausen. Wir rauchen nämlich immer noch. Das Wetter verändert sich. Von 36° ist nichts mehr zu spüren, es ziehen Wolken auf, und es wird kühler. Nicht das ich den Moment bedaure. Mir ist immer noch warm genug.
Wie es um meine Kondition bestellt ist, merke ich als ich von hinten Stockgeklapper höre. Es ist ein älterer Mann, sicher über 60, mit einem selbst geschnittenen Holzstock, der locker und munter an uns vorbei läuft als müsse er dem Supersportler von der Pfrontner Hütte auf seinem Weg zur Innenstadt von München folgen.
Und wir hätten gut daran getan ihm zu folgen. Es wird nicht nur kühler, es fängt an zu nieseln. Außerdem kommt Wind auf, der sich stetig zum Sturm entwickelt. Jetzt ist es schon ziemlich ungemütlich. Vom Hochsommer zum Herbst innerhalb von 600 Höhenmetern. Aber da wir noch nicht die gesamte Jahreszeitenpalette ausgekostet haben, fällt die Temperatur weiter und es fängt an zu schneien. Den restlichen Aufstieg schaffen wir deutlich schneller und kommen ziemlich erschöpft in der Sajathütte an.
Am nächsten Morgen werden wir dafür wieder mit herrlichem Wetter überrascht. Von dem Schnee ist nicht viel übrig. Dafür gibt es wieder eine traumhafte Bergkulisse in meiner Lieblingsfarbe - Braunschattierungen wohin das Auge reicht.
Einige Bergsteiger gehen im vollen Ornat los zu Gipfelbesteigungen. Unter ihnen ist auch ein Bergführer der in einen Klettersteig direkt vor der Sajat einsteigt. Er hat mir erklärt, dass es gar nicht so schwierig ist und wenn man oben ist geht es auf der Rückseite über einen normalen Weg zurück. Hier habe ich zum ersten Mal das Gefühl etwas zu verpassen und würde schon gerne einmal testen, ob ich es schaffe. Da aber einige Stunden Fußmarsch vor uns liegen, habe ich dann doch lieber gekniffen.
Wir wandern zur …Alm. Eine nette Hütte. Es ist wenig los, so dass sich die beiden Bedienungen viel Zeit nehmen, uns mit Bier und Obstler einzudecken. Leider gibt es Wanderer, die keinen Obstler mögen. Es ist dann doch immer wieder erschreckend, welche Grimassen diese Ignoranten bei einem Schlückchen verziehen. Anstatt uns zu helfen, dieses Zeug angemessen zu vernichten bevor es in falsche Hände gerät, müssen wir uns dummes Gestöhne anhören. Achim weicht hier zum ersten Mal aus und bestellt Marille. Ich glaub, das Zeug trinkt er nur, weil es so einen hübschen weiblichen Vornamen hat. Allerdings ist es auch bewusstseinserweiternd. Ihm wird nämlich bewusst, dass er seinen Autoschlüssel cleverer weise in seine Schuhe gelegt hat, die nun auf dem Parkplatz im Auto auf ihn warten. Da wir aber geplant haben, sein Auto zu nutzen um Dieters Wagen anzusteuern, haben wir jetzt ein Problem. Schlimmer noch. Achim hat ein Problem. Ein finanzielles, er muss nämlich unsere Trostrunden zahlen, weil wir uns nun am nächsten Tag trennen müssen.
Achim und ich werden direkt seinen Wagen ansteuern, der in Ziel Nähe geparkt ist. Dieter, Reiner und Frank haben die Arschkarte und dürfen den weiten Weg nehmen. Während die drei sich sputen müssen, weil ja noch die lange Rückfahrt vor uns liegt, können wir uns gemütlich Zeit lassen. Wir frühstücken zuerst mal gemütlich und lernen eine Menge. Z.B. das österreichischer Waldhonig nicht von fleißigen Bienchen mit Flügeln und 6 Beinen hergestellt wird, sondern von der 2-beinigen Variante mit den hübschen langen Haaren. Die kochen tatsächlich nur ein paar Tannennadeln mit viel Zucker und schon gibt es alle Varianten, die das Herz begehrt. Schmeckt sogar und keiner wird gestochen!!! Außerdem sehe ich zum ersten Mal, wie man Apfelstrudel herstellt. Viele Jahre später werde ich diese wertvolle Erfahrung noch einmal gebrauchen können, mein lieber Sohn wird es bestätigen.
Gut gestärkt machen wir uns später gemütlich auf den Weg zum Auto. Als wir den Wald verlassen, stehen wir auf einer asphaltierten Straße, der wir nur noch bis zum Parkplatz folgen müssen. Wir wissen in etwa, wie lange die anderen gehen müssen, und machen deshalb erst mal Rast. Dazu setzen wir uns auf die Leitplanke und schauen ins Tal. Der Blick ist nicht zu beschreiben. Wir erzählen auch nicht viel, weil nach so einer Tour eigentlich alles erzählt ist, und wir genießen wollen. Und wir genießen. Es ist ruhig bis auf die Geräusche, die der Fluss macht, der weit unten im Tal fließt. Wir haben Zeit und lassen die Seele baumeln. Die Leser dieser Zeilen werden nicht nachvollziehen können, wie es dort am Berg gewesen ist. Für mich ist es eine der schönsten Erinnerungen, die ich an unsere vielen Touren habe. Warum ausgerechnet diese Stunde so haften geblieben ist, weiß ich nicht genau. Vielleicht ist es einfach die viele Zeit auf einem Fleck. Vielleicht ist es die Ruhe oder der Ausblick. Es ist auch egal, es war einfach toll.
Irgendwann kam dann noch ein Geräusch dazu, dass wir nicht einordnen konnten. Es war ein lautes Rattern, das in diese Gegend nicht passen will. Es kommt nur selten und in unregelmäßigen Abständen. Nach dem wir 5 Minuten Jugend forscht gespielt haben, konnten wir auch dieses Rätsel lösen. Der Fluss unten im Tal wird von einer Brücke gequert. Diese Brücke hat einen Viehrost, damit die lieben Kühe nicht fremdgehen mit Nachbars hübschen Bullen. Jedes Mal wenn ein Auto über diesen Rost fährt, entsteht dieses Geräusch. Da wir über einen Kilometer höher sitzen, kommt der Schall ungefähr 3 – 4 Sekunden später hier an. In dieser Zeit sind die Autos schon ein gutes Stück von der Brücke entfernt und deshalb konnten wir das Geräusch nicht zuordnen. Übrigens hört man aus dieser Entfernung Motorengeräusche nicht mehr. Ist schon erstaunlich. Vielleicht brauchen wir doch mehr Autos und weniger Flüsse.
Um der Tour einen gebührenden Abschluss zu geben, kehren wir in einer von Dieters Stammkneipen ein. Für mich hat ein Bergfohlen sein junges Leben gelassen. Gut das es gestorben war und ich zur rechten Zeit vor Ort, um es zu verspeisen. Es war köstlich.